Beim Beschneiden der Reben ist es unvermeidlich, dass dem Holz Wunden unterschiedlicher Größe zugefügt werden. Als Reaktion darauf, produzieren die Pflanzen eine gummiartige Substanz und Thyllen, die die leitenden Gefäße der Rebe als Reaktion auf Verwundung oder Beschädigung verschließen. Das Beschneiden führt dazu, dass in der Nähe befindliche Gefäßsysteme unterbrochen werden, was wiederum zur Dehydrierung und zum Absterben der Zellen um die Schnittzonen herum führt. Um die Wunde bildet sich ein Austrocknungskegel, der dazu dient, die Verletzung zu versiegeln. Er schafft eine Schutzbarriere zwischen dem Gefäßsystem der Pflanze und deren Umgebung. Dies kann natürlich auch zur Entstehung von Nekrosen in der Nähe der Schnittfläche führen, und damit negative Auswirkungen auf die Rebe haben, wie z. B. eine teilweise Verstopfung des Gefäßsystems. Dies hängt vom Durchmesser der Schnittfläche, ihrer Lage, dem Abstand zu verholzten Trieben und dem Alter der entfernten Holzstruktur ab.
Für den ersten Versuch wurden kordonbeschnittene Cabernet Sauvignon-Reben nach dem Zufallsprinzip aus einer neuen Bepflanzung ausgewählt und mit einem Bagger aus dem Boden gehoben. Die ausgewählten Reben wurden auf einer Tischlerbank mit einer Gattersäge präpariert, um einjährige Kurztriebe (nicht dauerhafte Strukturen), Arme (mindestens zwei Jahre alt), sowie Stämme und ganze Reben (permanente Strukturen) zu erhalten. Längsschnitte wurden durchgeführt, um den Anteil der Nekrose in permanenten und nicht permanenten Strukturen in Bezug auf die entsprechenden Flächen an Lebendholz zu quantifizieren (Abbildung 1). Anschließend wurden Fotos von der Teil- und Gesamtanatomie der Schnitte gemacht, die danach mithilfe von ImageJ ausgewertet wurden. Mit ImageJ ist es möglich, mehrdimensionale Bilder zu analysieren (Abbildung 1). Die Software ermittelt die Anzahl der Pixel in einem bestimmten Bereich sowie deren relative Fläche mithilfe von Referenzlängenangaben. Dadurch konnten wir den Anteil an nekrotischem Holz in nicht-permanenten und permanenten Holzstrukturen von Reben bestimmen. Der Durchmesser der Kurztriebea (cm), die Tiefe der Nekroseb (cm), die Fläche des nekrotischen Holzesc (cm2), der Abstand der Schnittwunde vom Knotend (cm) und der Abstand der Nekrosegrenze zur Wunde und zum Knotene (cm) wurden in den nicht-permanenten Strukturen gemessen (Abbildung 1). Die Gesamtfläche (cm2) und die nekrotische Fläche (cm2) wurden für Armef, Stämmeg und ganze Rebenh bestimmt. Die Beziehungen zwischen den gemessenen Variablen und deren Korrelation wurden mithilfe einer linearen Regressionsanalyse untersucht.
Abbildung 1. Die Analyse von Nekrosen in nicht-permanenten Strukturena-e, Armenf, Stämmeng und ganzen Rebenh mithilfe von ImageJ ist dargestellt.
Im zweiten Versuch untersuchten wir die Auswirkungen unterschiedlicher Abstände der Schnitte vom basalen Ende der Triebe auf die Triebentwicklung. Dazu verwendeten wir Reben der Sorten Grenache, Cabernet Franc und Malbec. Vier Versuche wurden nach dem Zufallsprinzip innerhalb eines Weinberges angeordnet, wobei jedes Mal eine ganze Reihe ausgewählt wurde. Wie in Abbildung 2 gezeigt, wurden die Internodien der Triebe an vier verschiedenen Stellen geschnitten. Die visuelle Bewertung des Triebwachstums in der folgenden Saison wurde wie folgt kategorisiert: 1) vollständig entwickelt, 2) teilweise entwickelt und 3) nicht entwickelt. Die statistische Analyse wurde unter Verwendung eines Kruskal-Wallis-Rangplatzsummentests für nicht-parametrische Daten mithilfe der Software Statgraphics Centurion (Version XVI.I, Virginia, USA) durchgeführt. Unterschiede zwischen den Proben wurden mit dem LSD-Test bei 95 % Wahrscheinlichkeit verglichen.
Abbildung 2. Das zweite Experiment bestand darin, die Abstände der Schnitte vom basalen Ende des Triebes zu vergrößern und danach die Entwicklung neuer Triebe zu untersuchen. a) Schnitt oberhalb des Diaphragmas der zweiten Knospe, b) Schnitt in der Mitte zwischen der zweiten und dritten Knospe, c) Schnitt unterhalb des Diaphragmas der dritten Knospe, d) Schnitt oberhalb des Diaphragmas der dritten Knospe.
Versuch Nummer 1
In den nicht-permanenten Strukturen stellten wir keinen Zusammenhang zwischen den nekrotischen Bereichen im Holz und dem Durchmesser der Schnittwunde fest (Abbildung 3). Eine starke Beziehung bestand dahingegen zwischen der Anwesenheit eines Knotens und nekrotischen Bereichen. Laut Hidalgo (1991)
Abbildung 3. Unterschiede in der Tiefe nekrotischer Bereiche im Holz in Abhängigkeit von a) Durchmesser des Triebes (R2:0,00), b) dem Abstand des Schnittes zum Knoten (R2:0,61) und c) dem Abstand des Schnittes zum Knoten, an dem die Nekrose stoppte (R2:0,99). Unterschiede in der Fläche des nekrotischen Holzes in Abhängigkeit von d) dem Durchmesser des Triebes (R2:0,02), e) dem Abstand des Schnittes zum Knoten (R2:0,57) und f) dem Abstand des Schnittes zum Knoten, an dem die Nekrose stoppte (R2:0,94). Der Prozentsatz (%) von nekrotischem Holz in g) Armen, h) Stämmen und i) ganzen Weinreben.
Laut Hidalgo (1991)
Versuch Nummer 2
Ein hoher Prozentsatz (>70 %) (Daten nicht gezeigt) der Knospen entwickelten sich bei den untersuchten Rebsorten (Grenache, Cabernet Franc, Malbec) normal, unabhängig vom Abstand des Schnittes vom Basalknoten. Darüber hinaus gab es unabhängig von der Rebsorte keine statistischen Unterschiede zwischen den Versuchen. In dieser Hinsicht stimmen unsere Ergebnisse nicht mit denen von Hidalgo (1991)
In Cabernet Sauvignon Reben korrelierten Nekrosen, die aus Schnittwunden in nicht-permanenten Strukturen hervorgingen, stark mit dem Vorhandensein eines Knotens. Die Arme zeigten einen höheren Prozentsatz und eine höhere Variabilität an Holznekrosen als die Stämme. Unabhängig davon, wo genau der Schnitt durchgeführt wurde, entwickelte sich der größte Teil der Triebe der Rebsorten Grenache, Cabernet Franc und Malbec normal. Daher ist es möglich, dass das Diaphragma einen wirksamen natürlichen Widerstand gegen durch Schnittwunden hervorgerufene Nekrosen bietet.